Ein Ausbildungsbetrieb für die Zukunft
Die Einsatzzahlen für die Rettungsdienste in der ganzen Schweiz steigen seit einigen Jahren kontinuierlich an. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, braucht es immer mehr Rettungssanitäter:innen. Gleichzeitig ist die Verweildauer im Beruf kurz. Aktuell verbleibt eine Rettungssanitäterin oder ein Rettungssanitäter nach der Ausbildung zwischen 5 und 10 Jahren im Beruf. Mögliche Gründe sind fehlende Aufstiegsmöglichkeiten/Perspektiven, eine hohe physische und psychische Belastung und die Schichtarbeiten, welche das Sozialleben beeinflussen. Umso wichtiger sind die Ausbildung und die Förderung des Nachwuchses. Wichtig ist es aber auch, die Flamme der Begeisterung für den Beruf bei den dipl. Rettungssanitätern:innen weiter lodern zu lassen. Dazu beitragen können interessante Fort- und Weiterbildungen genauso wie zeitgemässe strukturelle Gegebenheiten. Dieser Verantwortung ist sich die Rettung Chur bewusst.
Das Bildungsteam setzt sich aus der Ausbildungsverantwortlichen und drei Berufsbildnern zusammen.
Die Berufsbildner sind zuständig für:
- Die Rekrutierung neuer Studierender.
- Eine gute und strukturierte Einführung.
- Die enge, kontinuierliche Begleitung und Betreuung.
- Das Erstellen der Zwischen- und Abschlussqualifikationen.
- Den Austausch und die Planung mit der Ausbildungsverantwortlichen
- Die Mitorganisation von Lerntransfertagen sowie, Fort- und Weiterbildungen.
Unser Bildungsteam von links nach rechts: Armin Sutter, Berufsbildner; Andrea John, Ausbildungsverantwortliche; Fabian Limacher, Berufsbildner; Raphael Börlin, Berufsbildner
Fordernde Ausbildung
Die Ausbildung zum/zur Dipl. Rettungssanitäter:in dauert zwei, respektive drei Jahre. Dies ist abhängig von der vorausgegangenen Ausbildung.
Eine medizinische Ausbildung ist nicht notwendig, kann die Ausbildungsdauer aber um ein Jahr verkürzen. Ein Schreiner, ein dipl. Pflegefachmann sowie zwei Fachangestellte Gesundheit waren im 2023 auf dem Weg zum/zur Dipl. Rettungssanitäter:in bei der Rettung Chur angestellt.
Jede/r Studierende ist einem Berufsbildner zugeteilt. So ist die kontinuierliche Begleitung durch die Ausbildung gewährleistet. Wie ein afrikanisches Sprichwort so schön sagt: «Um ein Kind zu erziehen braucht es ein ganzes Dorf», so ist es im Rettungsdienst das ganze Team, welches einen Betrag zum erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung beiträgt.
Im Betrieb wird das theoretische Wissen, welches sich die Studierenden im Berufszentrum Blaulicht in Zürich oder dem Schweizerischen Institut für Rettungsmedizin in Nottwil aneignen mit der Praxis verknüpft und eins zu eins im Einsatz angewendet. Immer in Begleitung einer dipl. Rettungssanitäterin oder eines dipl. Rettungssanitäters.
Ab Tag eins ihrer Ausbildung tragen die Studierenden Verantwortung und sind in den Dienstbetrieb integriert. In den ersten drei Monaten ihrer Ausbildung sind die Studierenden zusätzlich im Dienstplan eingeteilt und bestreiten ihre ersten Einsätze im Dreierteam. In dieser intensiven Zeit lernen sie den Arbeitsalltag kennen und sammeln erste Erfahrungen. Ziel ist es, die angehenden Rettungssanitäter:innen auf den Alltag im Zweierteam vorzubereiten. Neben viel neuem Material und Techniken gilt es auch, die Fahrzeuge kennen zu lernen und unter Stress, mit oder ohne Blaulicht, möglichst patientenschonendend, die Rettungswagen an den Einsatzort und zurück zum Spital zu fahren. Sobald sie zu zweit mit einer dipl. Rettungssanitäterin/einem dipl. Rettungssanitäter ausrücken, müssen sie als vollwertiges Teammitglied funktionieren. Zu jeder Tageszeit und Nachtzeit. Anfangs übernehmen sie die Assistenzfunktion und unterstützen den/die Teamleader:in. Nach und nach wird den angehenden Rettungssanitäter:innen Verantwortung und somit die Teamleaderfunktion auf Einsätzen übertragen. So werden sie langsam an die Betreuung von Patienten/Patientinnen in unterschiedlichen Notfallsituationen herangeführt.
Die Nachbesprechung der Einsätze ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Die Einsätze werden reflektiert, Handlungsalternativen besprochen und Lehren daraus gezogen. Diese Nachbesprechungen sind ebenfalls wichtig, um psychisch gesund zu bleiben.
Perspektive eines Berufsbildners
«Als Berufsbildner ist es schön mit zu erleben, wie sich die angehenden Rettungssanitäter:innen entwickeln und lernen neue Situationen immer besser zu beurteilen und zu bewältigen. Mir persönlich ist es wichtig, eine möglichst optimale Lernumgebung für unsere Studierenden zu schaffen. Dazu gehört auch, dass die Lernenden an ihre Grenzen stossen und ihre Komfortzone verlassen können, oder gar müssen. Natürlich darf dabei das Patientenwohl nicht vernachlässigt oder gefährdet werden. Den Patienten und Patientinnen soll jederzeit die bestmögliche Versorgung zukommen. Zu spüren, wann ein Studierender während des Einsatzes Hilfe benötigt oder wann in einer Situation die Führung vollständig übernommen werden muss, bevor es zur Überforderung kommt, ist ein wichtiger Bestandteil bei der Arbeit mit den Studierenden. Sich in diesem Spannungsfeld zu Bewegen macht für mich die Arbeit als Berufsbildner bei der Rettung Chur spannend und herausfordernd zugleich.»
Raphael Börlin, Dipl. Rettungssanitäter und Berufsbildner
Ein prägendes Erlebnis meiner Ausbildung
«Während meiner Ausbildung zur Rettungssanitäterin begleitete mich mein Berufsbildner auf mehreren Rettungseinsätzen. Ein ganz besonderer Einsatz bleibt mir bis heute in positiver Erinnerung. Zwischen Weihnachten und Neujahr hatten mein Berufsbildner und ich Nachtdienst und wurden zu einem Einsatz gerufen.
Die Meldung lautete: 62-jähriger Mann mit Rückenschmerzen.
Als wir am Einsatzort eintrafen, wurde der Patient bereits von einem Dienstarzt versorgt. Bei der Erstuntersuchung stellte sich jedoch heraus, dass die Rückenschmerzen nicht das Hauptproblem waren, sondern ein ablenkender Schmerz aufgrund eines Herzinfarkts. Plötzlich erlitt der Patient einen Herz-Kreislauf-Stillstand, den wir erfolgreich mit einer Defibrillation behandeln konnten. Sofort danach setzte der Kreislauf des Patienten wieder ein, und wir konnten mit der Herzinfarkttherapie fortfahren. Für den Transport alarmierten wir die Luftrettung, die den Patienten schnell ins Kantonsspital Graubünden zur weiteren Notfallversorgung flog.
Besonders positiv in Erinnerung ist mir die spürbare Dankbarkeit der Ehefrau und den zwei Söhnen geblieben, welche die ernsthafte Situation ihres Vaters bzw. Ehemanns nachvollziehen konnten.
Es freute mich sehr zu erfahren, dass der Patient das Spital in einem guten Gesundheitszustand verlassen konnte.»
Vanessa Raschle, 3. Ausbildungsjahr zur Rettungssanitäterin HF
© Mark Henley
Dem Patienten geht es sehr, sehr gut! Der Qualitätsverantwortliche der Rettung Chur hatte ein Jahr nach dem Einsatz Kontakt zum damaligen Patienten und berichtet:
«Der Patient hatte dank eurer sofortigen Defibrillation wohl keine No-Flow- sondern nur eine sehr kurze Low-Flow-Zeit: Er kann sich an alles erinnern und hat keine Lücke zum Ereignis.
Er dankt euch vielmals für euren Einsatz und war bei vollem Bewusstsein beeindruckt von eurem ruhigen und professionellen Handeln. Er habe sich sehr gut aufgehoben gefühlt und dank eurer Ruhe gelang es ihm, etwas loszulassen. Er habe sich gedacht: «Jetzt sind die Profis da und machen alles, was im Moment überhaupt möglich ist.»
Der Patient hat mir all dies sehr rational und dennoch emotional bewegt geschildert. Mir lief es mehrfach kalt den Rücken herunter. Wohl auch, weil ich so stolz auf euch im Besonderen und unsere Arbeit im Allgemeinen war – und noch immer bin.
Der Patient steht wieder voll im Leben – er raucht ja schon länger nicht mehr, hat jetzt noch etwas abgenommen und ist sehr aktiv. Er ernährt sich noch bewusster und geniesst jeden Tag seines Lebens noch mehr als zuvor.
Was will man mehr?
Echt eine tolle Geschichte, welche sich lohnt weiterzuerzählen!»
Was fordert mich in der Ausbildung zum Rettungssanitäter im Betrieb
«Durch die vielen Pflichtpraktika, welche von der Schule vorgegeben sind, entstehen längere Abwesenheiten im praktischen Einsatz. Dadurch finde ich es schwierig auf den Einsätzen eine Routine zu erlangen. Zusätzlich bin ich im zweiten Lehrjahr oft in der Schule, was die Zeit in der Praxis zusätzlich verkürzt.
Hinzu kommt, dass ich es bei manchen Themen herausfordernd empfinde, das in der Schule neu erlernte Wissen in der Praxis das erste Mal anzuwenden.
Ende des ersten Lehrjahrs habe ich begonnen, bei Einsätzen mit Patienten in kritischem Zustand den Lead zu übernehmen. Anfangs fiel mir dies schwer, bis ich eine gewisse Routine erlangt habe. Zusätzlich fehlte mir bei manchen Krankheitsbildern (z.B. exazerbierte COPD) der theoretische Hintergrund der Therapien, da wir diesen in der Schule noch nicht durchgenommen haben. Dies erschwerte ein effizientes Handeln auf den Einsätzen.
Die Anwesenheit eines Dipl. Rettungssanitäters, gibt mir die Sicherheit, mich in komplexen Situationen der Herausforderung zu stellen und mein Fachwissen zielführend einzusetzen.»
Richard Wäger, 2. Ausbildungsjahr zum Rettungssanitäter HF
Das Lernen geht weiter
Um auf dem neusten Stand der Notfallmedizin zu bleiben, muss jede Rettungssanitäterin und jeder Rettungssanitäter pro Jahr vierzig Weiterbildungsstunden nachweisen können. Das Bildungsteam organisiert vier interne Weiterbildungstage jährlich, welche für die Rettungssanitäter:innen der Rettung Chur obligatorisch sind. Unter Einbezug externer oder spitalinterner Referenten/Referentinnen, so wie auch Personen aus dem Team, wird jeweils ein Programm zu einem Themenschwerpunkt zusammengestellt.
Ebenso wird jeder Monat ein vordefinierter Skill zur Handfertigkeit verschiedener Tätigkeiten trainiert, welche die Rettungssanitäter:innen im Selbststudium absolvieren können. Hinzu kommt das Studium von Fachliteratur.
Damit Abläufe und Schnittstellen mit unseren Partnerorganisationen (Polizei, Feuerwehr, etc.) trainiert werden können, besteht die Möglichkeit bei Strassenrettungsübungen im Einsatzgebiet teil zu nehmen. Der Fokus dieser Übungen besteht darin, in der Krise die Köpfe und deren Kompetenzen kennen zu lernen, um im Ernstfall gemeinsam die Patienten möglichst optimal versorgen zu können.
Einsatzübung mit Partnerorganisationen