Qualität 2024

Qualität 2024

Im letzten Jahr haben Sie als geschätzte Leser:innen viel über unser digitales Managementportal und dessen Anwendung im rettungs­dienstlichen Alltag erfahren. In diesem Jahr möchten wir die kleinen und grossen Verbesserungen und Erkenntnisse des vergangenen Jahres beleuchten. Häufig sind es die kleinen Neuerungen, welche unerwartet viel bringen. Oder der kleine Dreh an der Stellschraube von Bestehendem, welcher eine Sache verbessert und voranbringt. Im Qualitäts­management ist hierbei häufig von KVP, dem kontinuierlichen Verbesserungs­prozess die Rede: Gutes durch Kontinuität weiter verbessern.

Unser digitaler Betriebsordner

So ganz ohne Input zum Management­­portal geht es aber scheinbar doch nicht. In Kürze: Stand Ende 2024 dürfen wir mit Fug und Recht behaupten, alle relevanten Inhalte aus dem Betriebsordner abgebildet zu haben. Das sind wichtige Dateien wie Betriebs­grund­lagen und Normen, Anleitungen, Etatlisten, Struktur-, Prozess- und Ergebniskriterien. Mit entsprechender Berechtigung sind diese Daten nun überall und jederzeit such- und abrufbar. Was schlichtweg toll und ein echter Fortschritt ist. Danke an alle Überarbeiter:innen und kritischen Köpfe, welche sich einzelner Abschnitte in ihrem Zuständigkeits­bereich angenommen haben. Für die Unterstützung und Initiative beim digitalen Implemen­tieren ein herzliches Dankeschön an Tanja Hartmann!

Unser Notarztfahrzeug und die STAPO als Lebensretter beim Herzkreislaufstillstand

Einen weiteren Dreh an einer ohnehin schon gut gesetzten Stellschraube stellt mit der Stadtpolizei Chur eine Partnerorganisation dar. Zum einen haben wir mit unseren kontinuierlich ausgebauten Dienstzeiten des Notarzt­einsatzfahrzeugs (NEF) noch häufiger Primärteams auf Rettungs­wagen (RTW), welche noch schneller vor Ort sein können, denn das Abholen der Notärztin oder des Notarztes entfällt. Zum anderen sind Notärztliche Personen dank dem NEF beinahe gleich schnell vor Ort wie das Team mit dem RTW. Aber eben auch, und das ist der entscheidende Vorteil falls es die Notärztin oder den Notarzt dann doch nicht braucht, wieder schnell zurück im Spital oder an einem anderen Einsatzort, wo ärzt­liche Hilfe dringend vonnöten ist.

Doch wer ist gerade im Stadtgebiet sehr häufig noch schneller vor Ort? Wer fährt im Bereitschaftsdienst aufmerksam Patrouille und ist unter Umständen schon beim Zusammen­bruch einer Person nur eine Quer­strasse entfernt? Die Stadtpolizei Chur. Nun sind die Hilfeleistungen der STAPO für Menschen in Not und als Partnerorganisation der Rettung Chur zwar überhaupt nicht selbst­verständlich für uns, aber dennoch nichts Neues. Seit wir uns zurück­erinnern können sind die Polizistinnen und Polizisten der Stadtpolizei für uns da: Als Tragehilfe, wenn es im vierten Stock wieder einmal keinen Lift, sondern nur eine viel zu enge Treppe gibt. Als Verkehrsregler:innen, damit wir uns voll auf die Versorgung einer verunfallten Person konzentrieren können und uns nicht selbst in Gefahr bringen. Und nicht zuletzt auch als Beschützer:innen, wenn wir zu nachtschlafender Stunde auf Einsätzen in der Ausgangsmeile angepöbelt werden. Danke euch!

Nein. Neu ist, dass die Stadtpolizei in ihrem Einsatzgebiet in der Rettungskette implementiert ist. Beim Einsatzstichwort «Reanimation» werden die Patrouillen der STAPO als First Responder aufgeboten. Immer dann, wenn Sie nebst ihren Kern­aufgaben die Ressourcen dazu haben. Seit Februar 2024 wird die STAPO im Standard-Prozedere mitinformiert. Die dortige Einsatzzentrale hat stets den Überblick, welche Patrouillen mit welchem Auftrag wo unterwegs sind und alarmiert, wenn immer möglich, die am besten geeignete Patrouille in der Nähe. Dass wir mit unserer dahingehenden Anfrage beim Kommando der Stadtpolizei sofort auf offene Ohren stiessen, freut uns ungemein. Seither hat die STAPO schon mehrfach bewiesen, wie schnell sie vor Ort sein und wie beherzt, professionell und empathisch sie lebensrettende Sofortmassnahmen einleiten kann. Das wir die Beamtinnen und Beamten der Stadtpolizei in regelmässigen Abständen zum Thema BLS/AED (Basic life support) schulen dürfen, freut uns ebenso und fördert den partnerschaftlichen Austausch. Das diesbezüglich bekannte Bonmot: «Die Polizei, dein Freund und Helfer» scheint uns im Falle der Churer Stadtpolizei denn auch etwas unter­trieben. «Die Polizei, dein Freund und Lebensretter» trifft es bei der STAPO Chur wohl schon eher. Danke!

Einheitliche Überwachungs­monitore auf allen Fahr­zeugen

Die nächste Verbesserung umfasst unsere Überwachungsmonitore im Sinne einer angleichenden Harmoni­sierung. So wie wir früher auf eine breite Palette von unter­schied­lichen Fahrzeugen gesetzt haben; die Mercedes G-Klasse fürs Grobe im Gelände, die kompakten VW-Busse für die engen Gassen und herab­hängenden Balkone der umliegenden Dörfer und der grosse, geräumige RTW als Standard für ideale Arbeits­bedingungen am Patienten – so sah es auch bei den dazugehörigen Über­wachungsgeräten aus. Häufig mit 12-Kanal-EKG und Telemetrie­mög­lichkeit, manchmal aber eben auch ohne, weil das Fahrzeug nur für Verlegungen konzipiert war. Meistens mit patientenseitiger Kohlen­dioxid­messung, aber eben auch nicht immer und auf jedem Fahrzeug. So hatte jedes Fahrzeug seine Vor- und Nachteile und sollte uns gemäss lange vorherrschenden Grundsatz­über­legungen auch helfen, für jede Einsatz­situation das ideale Fahrzeug- und Materialsetting zur Seite zu haben. Nur leider war in der Realität das gewünschte Fahrzeug schon in A, wenn man es doch gern in B gehabt hätte. Und behüte uns vor defekten Geräten und Fahrzeugen, die für längere Zeit in Reparatur waren. Sobald Geräte und Fahrzeugen ausgetauscht wurden, fehlte wohl manchem Teammitglied die detaillierte Übersicht. Im Laufe des Jahres konnten wir alle Monitore mit der gleichen Technologie ausrüsten.

Reanimationsauswertung über digitale Plattform

Seit Anfang 2024 werten wir bei der Rettung Chur alle Reanimationen über eine geschützte Plattform aus. So kann nach dem Upload der Daten eine Aussage über die Qualität der Thorax­kompressionen, der Beatmung und vielerlei weiterer Massnahmen (z.B. Anzahl und Zeitpunkt der Defibrilla­tionen) gemacht werden. Das ist enorm wichtig, denn auch für uns gelten die Guidelines und wir wissen, dass wir 100 bis 120 Mal mit 5 bis 6 cm Tiefe in der Mitte des Brust­kastens drücken sollen. Aber nur, weil wir Profis sind heisst es nicht automatisch, dass wir es deshalb auch in jeder Situation gut und korrekt ausführen. Gerade die vermeintlichen Profis sind häufig zu stark mit Details beschäftigt, antizipieren konstant die möglicher­weise kommenden Probleme oder grübeln am mutmasslichen Auslöser des Herzkreislauf­stillstandes herum, als dass sie sich primär auf das Allerwichtigste konzentrieren: Kontinuierliche, saubere Wieder­belebungs­­massnahmen fokussieren. Darum sind Rückmeldungen absolut wichtig, gerade bei Profis. Nebst dem die Plattform eine gesammelte Über­sicht zu frei festlegbaren Zeitfenstern ermöglicht, bekommt bei der Rettung Chur auch jedes Teammitglied die Detailauswertung jeder Reanimation, bei der sie involviert war, standard­mässig zugestellt. Diese Berichte gehen auch immer an das Kader und die Ärztliche Leitung und schon oft haben sich im Austausch spannende Diskussionen über mögliche Verbes­serungen ergeben. Wichtig: Hierbei muss die Haltung aller involvierten Personen stimmen. Es geht um einen gemeinsamen Lernprozess, welcher allen die Möglichkeit gibt dazu­zulernen und nicht darum, einer Person oder einem Team Fehler oder Unzuläng­lich­keiten zuzuweisen. Wer das nicht versteht, hat nicht viel verstanden. Das System soll so gut funktionieren, dass es keine Rolle spielt, wer wann und mit wem ausrückt. Eine Erkenntnis, welche wir schon umsetzten konnten: Das standardi­sierte Vorgehen bei Reani­ma­tionen muss mehrfach jährlich geübt und durchgespielt werden und findet am Besten in jedem Weiter­bildungsblock einen festen Platz. Lieber häufig und kurz als länger und selten üben – gerade auch bei Profis, wo ein hohes Vorwissen und ein ebenso hohes Mass an Skills voraus­gesetzt werden.

Zu guter Letzt und nicht zuletzt; die versprochene Rückmeldung zu unserer ­Q-Studie mit dem Thema «Extremitätentrauma & Schmerz»

Auch hier konnten wir anhand von 153 detailliert ausgewerteten Einsätzen die Qualität wichtiger Basis­massnahmen nachvollziehen. Bei so gelagerten Traumata hat die fach­gerechte Versorgung der ent­sprechen­den Extremität logischer­weise höchste Priorität. Es gilt, allfällige äussere Blutungen sofort zu stoppen, Sekundärschäden zu vermeiden und die zu behandelnde Person rasch für eine definitive Diagnose und Therapie ins Spital zu bringen. Was nebst dem verständ­lichen oder gar gewollten Fokus auf die verletzte Extremität aber nie ausser Acht gelassen werden darf: Der Mensch als Ganzes und nament­lich, der von ihm verspürte Schmerz und dessen Intensität. Wir fragen hierzu häufig mit der bekannten Schmerzskala von 0 bis 10 nach: «Wenn 0 gar kein Schmerz wäre und 10 der stärkste Schmerz, den Sie sich vorstellen können, wo wären Sie da aktuell?» Im langjährig bewährten und anlässlich dieser Q-Studie auch wieder überarbeiteten Schmerz­konzept haben wir hierzu ganz klar Ziele festgelegt: Eine erfolgreiche Schmerztherapie wurde erreicht, wenn die zu behandelnde Person nach der fachgerechten Lagerung oder der Schmerzmittelgabe eine Schmerzscore von 4 oder kleiner angibt oder zumindest der initial verspürte Schmerz um mindestens 50 % reduziert werden konnte. Erfreulich: In 88.4 % der dokumen­tierten Fälle mit hohem Schmerzscore lag dieser nach der Schmerz­mittel­gabe bei ≤4 oder konnte, wie im Schmerzkonzept der Rettung Chur ebenfalls gefordert, um mindestens 50 % entsprechend des Ausgangs­werts gemildert werden Ebenso erfreulich: Die Schmerztherapie wird bei der Rettung Chur sicher ausgeführt. Alle Patient:innen erhielten im Rahmen der ärztlich delegierten Massnahmen eine potente aber auch sichere Schmerz­therapie. Es kam in keinem der 153 Fälle zu ausgeprägten Neben­wirkungen durch die verabreichten Schmerzmittel.

Ausblick: Was steht im 2025 an?

Im kommenden Sommer steht die Wiederanerkennung unserer Dach­organisation, dem Interverband für Rettungswesen (IVR), an. Bei uns hat sich seit der letzten Anerkennung im Sommer 2021 viel verändert: Wir sind fast ausschliesslich digital unterwegs und sehr vieles an unserer Struktur und den Prozessen wurde angepasst. Darum ist es ein guter Zeitpunkt, sich von extern begutachtet auf den Prüfstand zu begeben. Denn blinde Flecken existieren nicht nur in jedem von uns, es gibt sie auch in jeder Institution.

Mehr dazu erfahren Sie im kommenden Jahr, bleiben Sie uns gewogen.

Gian-Martin Sommerau, Qualitätsverantwortlicher Rettung Chur

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