Historische Brot- und Gebäckvielfalt Graubündens
Sie heissen rasdüro, baschadélas, creschéints oder kraschantins, pawn nué oder strüzzels, pan cun fik oder panfört. Oder pan da vilana, navét, padlàna, pretzlas oder barbulàda. Und das sind nur einige wenige Beispiele aus der historischen Brot- und Gebäckvielfalt Graubündens. Eine wesentliche Rolle für diese unvergleichlich grosse Vielfalt spielte die geografische Lage des Kantons. Von Norden und vom Osten her von der Kultur der Roggenbrötler beeinflusst, von Süden her von den Weizenbrötlern, hat sich in Graubünden eine einzigartige Vielfalt entwickelt quasi eine der «Eigenbrötler».
Pane sera
Eine herzhafte Spezialität – ursprünglich aus der Gegend von Como, Italien. Wegen der langen Teigführung wurde dieses Brot oft erst gegen Abend gebacken, daher auch der Name. Weizenmehl und Scharanser Einkorngriess bilden hier nebst Wasser, Salz und wenig Hefe den Grundstock dieser Köstlichkeit. Bei kühler Temperatur geht der Teig mehrere Stunden, wobei er regelmässig «aufgenommen» wird, um ihm einerseits die löchrige Struktur zu geben, andererseits um die restlichen Zutaten einzuarbeiten. Je nach Saison können dies Bärlauch, Speck, Zwiebeln, Baumnüsse oder anderes sein. Knapp 300 Grad Backtemperatur geben dem Brot eine wunderbare Kruste.
Dominic Flammer
Essensforscher und Buchautor, Initiator des «kulinarischen Erbes der Alpen»
Dominik Flammer beschäftigt sich seit Jahren mit der Geschichte der Lebensmittel, ihrer Verbreitung und den Trends in der Lebensmittelbranche. Als Foodscout ist er für Profiköche und Delikatessenhändler rund vier Monate im Jahr weltweit unterwegs auf der Suche nach traditionellen oder neuen und innovativen Zutaten, Produkten und Herstellungsverfahren oder Zuchtformen. Zudem bildet Flammer Berufsköche sowie Ein- und Verkäufer grosser Handelsketten aus und leitet seit zehn Jahren Einkaufskurse sowie Seminare und Workshops in den Bereichen Gewürze, Fleisch- und Wurstwaren, Getreide und Brote, Milchprodukte, Fische und Meeresfrüchte, Wildkräuter und Wildpflanzen, Früchte und Gemüse sowie über Herstellungsverfahren und Produktionstechniken der Lebensmittelherstellung.
2009 ist von ihm das mehrfach preisgekrönte Buch «Schweizer Käse» erschienen, das heute als Standardwerk zu diesem Thema an allen Käsereifachschulen und in Käsesommelier-Ausbildungen Pflicht ist. Das Buch wurde an der Frankfurter Buchmesse 2010 mit dem höchsten Sachbuchpreis der Branche, der «Goldenen Feder» der Gastronomischen Akademie Deutschlands, ausgezeichnet. Seither hat Dominik Flammer als Autor das vierbändige Werk «Das kulinarische Erbe der Alpen – eine Ernährungsgeschichte des Alpenraums» veröffentlicht. Im August 2020 öffnete das «CULINARIUM ALPINUM» in Stans NW seine Tore, ein Kompetenzzentrum für alpine Regionalkulinarik, das Flammer initiiert und sechs Jahre lang begleitet hat.
Irene Parpan
bewirtschaftet mit ihrem Mann Andrea einen Bio-Bauernhof in Lain. Das Backen im alten Brothaus in Zorten hat sie sich selber angeeignet, durch Mithilfe bei anderen Bäuerinnen und durch Ausprobieren. Unser Holzofenbrot bäckt sie exklusiv für das «Scalottas Terroir» mit Gran-Alpin-Mehl. Die Freude, dieses Brauchtum zu leben, spürt man bei Irene. Die Sorgfalt und die Zeit, die sie dem Teig gibt, schmeckt man im Brot.
Holzofenbrot
Gebacken von Irene Parpan im Holzofen des alten Backhauses in Zorten. Eine Mischung aus Weizen, Roggen und Gerste gibt diesem Brot einen speziellen Geschmack. Zortener Quellwasser, Steinsalz und sehr wenig Hefe sind die restlichen Zutaten. Die langsame Gärung über zwölf Stunden macht das Brot grobporig und bekömmlich. Die kräftige Kruste entsteht durch die von Rottannenholz erzeugte Hitze. Brot in seiner Echtheit
Maurus Fässler
führt die Confiserie Fässler in Bad Ragaz. Maurus ist Confiseur und Bäcker aus Leidenschaft. Das Birnbrot ist das Resultat seiner Liebe zum Handwerk, seines Könnens sowie bester Zutaten. Der Stolz, ein Stück Bündner Kultur zu backen, ist mit jedem Bissen spürbar.
Birnbrot
Eine typische Bündner Spezialität, gebacken von Maurus Fässler in Bad Ragaz, also jenseits der Kantonsgrenze. Dörrbirnen aus dem Thurgau, Bündner Rotwein, Träsch, Nüsse und noch einiges mehr werden über Tage verarbeitet und, mit einem Brotteig vermengt, als Füllung vorbereitet. Das Einwickeln in den Umteig verlangt Fingerspitzengefühl und Können. Fertig gebacken ist dieses saftige Brot ein wahrer Energiespender und Genuss.
Sauerteigbrot
Urtümlich, natürlich – Attribute, die Hansjörg Ladurner in den Sinn kommen, wenn er an diesem Brot riecht. Bestes Berggetreide (Roggen und Weizen), klares Wasser und ein seit Jahren gepflegter Sauerteigansatz sind die Basis dieser alpinen Köstlichkeit. Anis, Fenchel, Kümmel und Koriander geben dem Brot seine Würze. Das spezielle Aroma kommt vom Brotklee, dem Zigerklee aus seiner Heimat. Die lange Säuerungszeit (rund 24 bis 30 Stunden) bei acht bis zwölf Grad Celsius macht das Brot bekömmlich und aromatisch.
Panforte
Ein Gewürzbrot, das früher vor allem im Advent und zur Weihnachtszeit gegessen wurde. Gewürzbrote dieser Art waren im alpinen Raum seit dem Mittelalter anzutreffen, ob als Zelten (Tirol), Hutzenbrot (Kärnten), Kletzenbrot (Steiermark, Bayern), Baerewecke (Elsass) oder Birnbrot. Meist war diese Art von Früchtebrot ein Geschenk für Kinder, Mägde, Knechte, Verlobte oder auch «Maulgabe» für das Vieh. Aus Dörrfrüchten, Kakao, Nüssen, Honig und Mehl gebacken, wird diese Köstlichkeit im «Scalottas Terroir» zum Kaffee serviert.
Früchtebrot
Während des Jahres, vor allem aber im Herbst, trocknen Hansjörg Ladurner und sein Team immer wieder Früchte. Dies einerseits zur Haltbarmachung bei grösseren Mengen, andererseits als Genuss- und Würzmittel. Im November wird daraus Früchtebrot gebacken. Für ein ganzes Jahr. Da weder die Zusammensetzung der Früchte noch die Rezeptur des Teiges jedes Mal gleich ist, sind unsere Früchtebrote wortwörtlich einzigartig. Intensive Fruchtaromen und lange Haltbarkeit zeichnen dieses Brot aus.
Schüttelbrot
Bedingt durch das raue, aber relativ trockene Klima und die Abgeschiedenheit der bäuerlichen Hochsiedlungen entwickelte sich in Südtirol schon früh eine besondere Art der Vorratswirtschaft. Die Lebensmittel mussten für die beschwerliche Zeit im Winter oder während der Ernte haltbar gemacht werden. Auf den meisten Höfen wurde zwei- bis dreimal im Jahr gebacken. Flache Brote spielten dabei eine wichtige Rolle, da sie innert kürzester Zeit trockneten. Das Schüttelbrot ist eine Urform des Brotes, das bereits von Pfahlbauern auf heissen Steinen gebacken wurde. Nebst Roggenmehl, Sauerteig oder Hefe und Wasser gehört der Brotklee (Trigonella coerulea) in den Teig, ebenso Fenchel, Kümmel und Anis. Ein alpines Urbrot.
Brasciadela
Das Puschlaver Ringbrot erzählt ein Stück alpiner Ernährungsgeschichte. Früher wurde nicht täglich gebacken, auch nicht wöchentlich. Es gab Orte im Alpenraum, da wurde einmal, höchstens zweimal im Jahr gebacken. Die Brote wurden durch das Loch im Ring auf Stangen aufgereiht und getrocknet. Anis diente der besseren Verdaulichkeit und wirkte während der Lagerung auch pilzhemmend. Ein wunderbares Gewürzbrot, das bereits dem Schellenursli von Alois Carigiet und Selina Chönz den Hunger vertrieb.