Vorwort des Präsidenten.
Zurück in die Zukunft
Jürg Schmid, Präsident
2022 war für den Bündner Tourismus ein Jahr der neuen Konsolidierung: Trotz vielfältiger Herausforderungen konnte Graubünden an gute Tourismusjahre vor der Corona-Pandemie anknüpfen. Der Tourismus kam nach der Pandemie mit einer unerwarteten Wucht und Heftigkeit zurück. «Revenge Travel» heisst dazu ein neuer Fachbegriff aus dem Marketing. «Revenge», zu Deutsch: die Rache. Das Nichtreisen-Können während der Pandemie hat zu einer aufgestauten Wut geführt, die sich in Konsum entladen hat. Auch Schweizerinnen und Schweizer sind 2022 wieder mehr ins Ausland gereist. Die «Revenge» der Gäste aus den Euro-Ländern – allen voran aus Deutschland und den Benelux-Staaten –, aber auch aus Grossbritannien, den USA, Brasilien und GCC, hat zur Kompensation und zu einer Festigung geführt.
Diese prompte Rückkehr des Reisens ist Mitgrund des Arbeitskräftemangels. Das Fundament ist aber der Mix aus demographischer Realität, fehlender Mobilitätsbereitschaft und Immigrationseinschränkungen. Dieser Mix wird uns die nächsten Jahrzehnte begleiten. Insofern wird das Mitarbeitenden-Marketing in Zukunft ebenso bedeutend werden wie das Gäste-Marketing. «Employer Branding» heisst die neue Disziplin. Denn was nützt uns die Nachfrage, wenn wir sie nicht bedienen können.
Zeit zur Orientierung – Jürg Schmid an einem Anlass für den Grossen Rat im Oktober 2022.
«The Great Life Refresh»
Die «Revenge-Phase» wird sich jedoch einpendeln, sprich: abklingen. Und dann wird der Blick frei auf die neuen Langfrist-Realitäten im Tourismus. Eine davon ist: Die Pandemie hat den Menschen schonungslos die Bedeutung der Erholungsräume, der Natur und die Verletzlichkeit des dicht besiedelten Planeten und der Globalisierung vor Augen geführt. Das hat viele zu einer Neuordnung der Werte bewegt. Das international tätige Marktforschungsunternehmen Euromonitor spricht von einem «Great Life Refresh».
Die Nachhaltigkeitsforderung der Gäste wird zunehmen und sich von der Forderung zum Ausschlusskriterium wandeln. Nachhaltigkeit ist in der Wahl eines Hotels bereits zum wichtigsten Sekundärkriterium geworden. Was heisst das? Man wählt den Ferienort aufgrund der gewünschten Aktivitätenpräferenz, dann sucht man nach Hotels, die den individuellen Ansprüchen an Service- und Infrastrukturlevel entsprechen. Hat man dann ein paar Hotels in der Auswahl vor sich, so punktet heute das ökologisch und sozial Nachhaltigere.
Mit dem Bike unterwegs in der Val S-charl im Gebiet Tamangur.
Mit dem Bike unterwegs in der Val S-charl im Gebiet Tamangur.
Zelebrieren wir die Naturmetropole der Alpen
Graubünden wird vom Trend zu vermehrten, bewussten und bereichernden Nahreisen profitieren. Dazu müssen wir auf Qualitätstourismus setzen und unsere alpine Herkunft, unsere Werte und die Natürlichkeit zelebrieren. Zurück in die Zukunft also. Denn Graubünden ist DER Naturkanton. Wir sind die Heimat des Schweizerischen Nationalparks, der weiten Täler und klaren Bergseen, der Rhätischen Bahn und von Gian und Giachen. Wir können die neuen Bedürfnisse befriedigen.
Graubünden ist auch ein Arbeitskanton. Im Förderprogramm «Enavant» wird ein Schwerpunkt auf Leben und Arbeiten gesetzt. Mit dem Tourismus findet gerade eine Verschmelzung statt, denn «New Work» ist Realität geworden. Daraus ist eine neue Reiseform unter dem Fachbegriff «Workation» entstanden. Man kombiniert Arbeit und Ferien. Eine Studie der Fachhochschule Graubünden sieht für den Bündner Tourismus das Potenzial insbesondere in der Verlängerung der Aufenthaltsdauer der Gäste. Auf «New Work» müssen wir uns als Branche vorbereiten. Infrastrukturen, aber auch Öffnungszeiten oder das Ticketing sind davon betroffen.
Graubünden ist der Zeitgeist-Kanton. Dafür setzt sich Graubünden Ferien als touristische Marketingorganisation im Auftrag des Kantons, seiner Mitglieder und der Partner engagiert ein. 2023 beispielsweise durch die Schaffung einer Nachhaltigkeitsstelle oder durch die konzertierte Marktbearbeitung der Romandie. Unsere Botschaft lautet «patgific». Das Bündner Lebensgefühl ist Inspiration und unser Angebot für den «Great Life Refresh».
Jürg Schmid (links) mit Marcus Caduff, Regierungspräsident 2022