Prof. Dr. med. Markus Furrer Chefarzt und Ärztlicher Direktor, Departementsleiter Chirurgie

Chirurgie

«Das, was heute galt, war morgen schon nicht mehr gültig.»

Prof. Dr. med. Markus Furrer, Chefarzt und Ärztlicher Direktor, Departementsleiter Chirurgie

«Während der ersten Welle im Frühjahr mussten wir unsere Arbeit massiv reduzieren und sogenannte Wahleingriffe verschieben. Die Philosophie lautete: Alle Operationen, die man drei Monate verschieben kann, soll man verschieben. Aus diesem Grund operierten wir nur noch dringliche und notfallmässige Sachen. Vergleicht man es mit anderen Ländern wie beispielsweise England, machten wir immer noch mehr. In England führte man gar keine Wahleingriffe mehr durch, wir aber konnten auch weiterhin dringliche Wahleingriffe durchführen. Es gab ja deswegen in der ersten Welle auch einige Missverständnisse und man meinte, jeder Wahleingriff könne verschoben werden. Das ist aber beispielsweise bei einem Tumorleiden nicht möglich. Den Tumor muss man innerhalb einer Frist operieren. Zuwarten kann man beispielsweise bei Leistenbrüchen, die asymptomatisch sind, und einer Gallenblase, die sich seit Jahren ruhig verhält. Die Hälfte unserer Operationssäle waren während des Shutdowns geschlossen.

Im Sommer, als die Fallzahlen sanken, hatten wir enorm viel zu tun. Einerseits war es dem Nachholeffekt geschuldet, andererseits – und das war fast der grössere Teil – hatte es damit zu tun, dass extrem viele Menschen in unserer Region unterwegs waren. Viele Touristen genossen den Sommer in Graubünden und solche regelrechte ‹Völkerwanderungen› spüren wir jeweils 1:1. Sei es mit mehr Unfällen, aber auch mit Krankheitsfällen, die in unser Spital kommen. Wir hatten darum auf der Chirurgie einen sehr strengen Sommer nach der relativ ruhigen Zeit im Frühling.

Im Herbst, als die zweite Welle eintraf, war alles anders als bei der ersten. Man merkte, dass es nichts bringt, Operationen vor sich herzuschieben und auf dringliche Wahleingriffe zu verzichten. Die Menschen getrauten sich auch wieder vermehrt ins Spital zu kommen, ganz im Gegensatz zum Frühjahr, als wir viele Absagen für Sprechstunden und Operationen hatten.

Wir schoben nichts auf und führten alle dringlichen Wahleingriffe durch, was aber zu einer Doppelbelastung des Personals führte: So war die Intensivpflegestation voll mit Covid-Patienten, bei denen man zwar langsam wusste, wie sie zu behandeln sind, aber man benötigte auf der IPS das Anästhesie-Pflegefachpersonal für deren Behandlung. Das wiederum führte dazu, dass wir eine OP-Saal-Spur reduzieren mussten. So kam es fast zu einem ‹Kampf› zwischen dem Personal für die IPS versus Aufrechterhalten des dringlichen OP-Betriebs.

Ich persönlich operierte 2020 etwas weniger als im Vorjahr. Es gab im Frühjahr 2020 Tage ohne Eingriffe. Wenn wir auf die Zahlen blicken, beträgt unser Einbruch zwischen fünf und zehn Prozent. Die Monate Januar und Februar 2020 waren sehr stark, danach folgte der massive Rückgang im Frühling, gefolgt von einem sehr starken Sommer.

Natürlich litten auch unsere Assistenzärztinnen und -ärzte unter der Krise. Nicht primär, weil sie weniger operieren konnten, vielmehr, weil ihnen die Weiterbildungsveranstaltungen fehlten, für die sie Punkte benötigen, sie keine Kongresse besuchen und keine praktischen Kurse absolvieren konnten. Für den Jahrgang 2020 gab es zudem kein ‹gewöhnliches› Staatsexamen. Nach der schriftlichen Prüfung mussten diese Jahrgänge ohne praktische Prüfung mit der Arbeit beginnen. Nach drei Monaten mussten wir beim Bundesamt für Gesundheit für die Ärztinnen und Ärzten eine Bestätigung abliefern, dass sie das Gelernte umsetzen können – äquivalent dem Staatsexamen.

Den Spagat zu schaffen zwischen der Aufrechterhaltung des operativen Betriebs und immer wieder fehlendem Personal, weil dieses auf der IPS, der Notfallstation oder der Pandemiestation aushelfen musste, war in der zweiten Welle etwas vom Herausforderndsten.

Allgemein herausfordernd waren auch die Task-Force-Sitzungen, die anfänglich jeden Tag und später zweimal wöchentlich stattfanden, an denen alle möglichen Themen besprochen wurden mit den organisatorischen Änderungen des Bundes und Kantons. Das, was heute galt, war morgen schon nicht mehr gültig. Aber da erging es uns wie allen anderen auch.»

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Wir mussten alle sehr flexibel sein.

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Kerstin Schwendener Berufsbildnerin OPS

Kerstin Schwendener

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