Dr. Arnold Bachmann

Dr. oec. HSG Arnold Bachmann Vorsitzender der Geschäftsleitung Kantonsspital Graubünden

Direktion

«Es ging um Handeln und Bewirken.»

von Dr. oec. HSG Arnold Bachmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung Kantonsspital Graubünden

«Mein Alltag wurde durch die Pandemie komplett umgestellt, mein Beruf wurde quasi neu erfunden. Als CEO eines Betriebs mit 2400 Angestellten führt man normalerweise indirekt über die Geschäfts- respektive Departementsleitungen. Der Alltag ist geprägt von Analysen, Abklärungsaufträgen, die man erteilt, Konzeptarbeiten und Variantenstudien. Darauf gestützt erfolgen dann Anträge, die in der Geschäftsleitung und/oder dem Verwaltungsrat besprochen und gutgeheissen oder abgelehnt werden.

Im Berichtsjahr wurde durch die Pandemie aber ein viel direkteres Führen und Handeln notwendig. Dies lösten wir, indem wir mit allen Verantwortlichen der 19 meistbetroffenen Fachbereiche täglich eine Task-Force-Sitzung durchführten und die aktuellen Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Am 27. Februar 2020 fand die erste Sitzung statt. Während rund einem Monat trafen wir uns täglich von 9 bis maximal 11 Uhr, trugen das gesamte Wissen zusammen, diskutierten und setzten Lösungen bereits Stunden später um. Nach gut einem Monat reduzierten wir die Sitzungen auf zweimal wöchentlich jeweils dienstags und donnerstags. So konnten wir aktuell und zeitnah auf die neuen Vorgaben des Bundesrates und/oder des Kantons reagieren.

Ein Unterschied zum normalen Geschäft war, dass wir vor Entscheiden keine Wirtschaftlichkeitsstudien machten. Es ging um Handeln und Bewirken. Für mich bedeutete dies, dass ich viel näher an den Puls des Unternehmens rückte. Bei aller Tragik dieser Krise hatte es für mich auch angenehme Komponenten, weil man viel schneller entscheiden und umsetzen konnte.

Was mich vor allem in der ersten Welle beeindruckte, war das Zusammenstehen in der Krise, die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Arbeitszeiten spielten keine Rolle, alle leisteten vollen Einsatz. Da wurden unglaubliche Leistungen erbracht.

Ein grosser Vorteil für uns war, dass wir die neue Intensivpflegestation früher als geplant in Betrieb nehmen konnten. Dadurch konnten wir die alte IPS als Covid-Station betreiben und die neue IPS als ‘normale’ Intensivpflegestation. Wir gehörten damit schweizweit zu einem der wenigen Spitäler, das über doppelte Kapazität verfügte. Die Herausforderung dabei war, dass wir das Personal nicht doppelt hatten. Das konnten wir insofern etwas abfedern, in dem wir die Intermediate-Care-Station erst später in Betrieb nahmen.

Bereits im März 2020 nahmen wir die Pandemiestation in Betrieb, die in der neuen Kinderklinik integriert ist. Eine Station, von der niemand angenommen hatte, dass wir sie je nutzen würden. Bei der Einweihung im November 2019 wurde noch gewitzelt, dass man hier etwas einweihe, das man nie brauchen werde. Vier Monate später, im Februar 2020 wurden plötzlich infizierte Personen mit einer unbekannten Infektionskrankheit bei uns eingeliefert und diese Station wurde zu einer der wichtigsten Abteilungen.

Im alten Eingangsbereich an der Arlibonstrasse richteten wir eine Triage-Station ein, um die infizierten von den nicht infizierten Patienten trennen zu können. Aus der alten Kindernotfallstation entstand die Abklärungsstation. Auch so eine Lösung, die an der Task-Force-Sitzung während des gemeinsamen Brainstormings entstand und vier Stunden später bereits umgesetzt war.

Nach einer gewissen Beruhigung im Sommer zog die Situation im Herbst mit der zweiten Welle wieder an und wir wussten, dass sich die Lage so schnell nicht mehr beruhigen würde. Das ging an die Substanz der Leute, die noch müde waren vom Effort im Frühling. Man rechnet ja nicht damit, mehrere Monate in einer solchen Intensität arbeiten zu müssen. Neben dem physischen Druck der alltäglichen Arbeit kommt auch ein psychischer Druck hinzu, weil man weiss, dass die Situation nicht im nächsten Monat zu Ende ist.

Von Weihnachten bis und mit der ersten Neujahrswoche kamen wir insgesamt sechsmal an unsere Kapazitätsgrenze auf der Intensivpflegestation. Irgendwie haben wir es immer geschafft, die Überbelastung zu bewältigen. Einmal mussten wir trotzdem für zirka sechs Stunden einen Aufnahmestopp verfügen.

Für mich als CEO ist es in so einer Phase wichtig, die Antennen ‘auszufahren’ und versuchen zu spüren, wo es Probleme gibt, zu erfahren, wo es brodelt und immer erreichbar zu sein. Oft ist es aber so, dass der CEO erst am Schluss involviert wird. Das bedeutet, dass das Kader wachsam sein muss, um frühzeitig intervenieren zu können. Die Sorge um das Personal war der Aspekt, der mich am meisten beschäftigte und belastete.

Darum ist es in so einer Krise wichtig, einfach und verlässlich zu kommunizieren, damit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem gleichen Wissensstand sind. Wir haben das mit einem FAQ gelöst, das wir jeweils nach den Task-Force-Sitzungen ergänzt und mit den neuesten Regelungen und Weisungen herausgegeben haben.»

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Nach der Isolation war ich immer noch zu müde für einen Spaziergang.

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Pilar Weber Controlling

Pilar Weber

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