Dr. Peter Fehr

Dr. med. Peter M. Fehr Chefarzt Gynäkologie und Departementsleiter Frauenklinik

Frauenklinik Fontana

«Anders als im Frühling war die zweite Welle viel fassbarer.»

Dr. med. Peter M. Fehr, Chefarzt Gynäkologie und Departementsleiter Frauenklinik

«Corona war auch für unser Departement eine Herausforderung. Die erste Welle war für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geprägt von einer grossen Unsicherheit, die auch emotional belastend war, weil wir nicht wussten, was auf uns zukommen wird. Die Corona-Task-Force des Kantonsspitals, bei der unsere Leiterin Pflege dabei war, tagte ab Ende Februar täglich etwa einen Monat lang. Ich führte mit meinem Kader-Team ebenfalls tägliche Sitzungen durch, um auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können. Wir erarbeiteten in dieser Zeit Konzepte mit verschiedenen Szenarien für die Geburtshilfe; was, wenn eine Gebärende kommt, die positiv auf Covid getestet ist? Was passiert, wenn sie positiv und schwer erkrankt ist und zum Gebären kommt? Und wo wird sie gebären? Dasselbe galt auch in der Gynäkologie. Wie machen wir den Abstrich bei den Patientinnen? Was passiert bei Covid-positiven Patientinnen? Kann man operative Eingriffe verschieben? Und wie gehen wir bei ambulanten Patientinnen vor? Hinzu kamen das Schulen, Lernen und Umsetzen der neuen Hygienevorschriften.

Bei all den Szenarien haben wir stets auch immer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedacht: Was passiert, wenn sie betroffen sind? Wir erarbeiteten ein Konzept, das vorsah, wie wir reagieren könnten, wenn ein Drittel des Personals ausfallen würde. Mit diesen und vielen weiteren Fragen und Ängsten befassten wir uns zu Beginn der Pandemie und erarbeiteten verschiedene Konzepte, so wussten wir, in welche Richtung wir gehen.

Dann kam Mitte März 2020 der Shutdown. In der Geburtshilfe lief dabei der Betrieb ganz normal weiter, hingegen kehrte in der Gynäkologie grosse Ruhe ein, weil Sprechstunden und Operationen abgesagt werden mussten. Das Operationsprogramm der Gynäkologie reduzierten wir massiv, wir schlossen eine OP-Spur und führten nur noch 50 Prozent der Eingriffe durch. Wir operierten nur noch Krebserkrankungen, Vorstufen von Krebs und Abklärungen von Krebs. Alles andere, so genannte Wahleingriffe durften wir nicht mehr durchführen. Wir mussten die Patientinnen für die Zeit nach dem Shutdown vertrösten und machten eine Prioritätenliste, welche Operationen wir als Erstes in Angriff nehmen würden, sobald man die Kapazitäten wieder hochfahren durfte.

Während des Shutdowns wurde es auch für mich ruhiger, da ich viel weniger operierte. Normalerweise arbeite ich zwischen 80 und 90 Stunden in der Woche, zwischen 50 und 60 Stunden sind da fast schon wenig. Im Frühling 2020 machte ich wie auch ein Teil meiner Kolleginnen und Kollegen vom oberen und mittleren Kader sowie einige der Assistenzärztinnen und -Ärzte Kurzarbeit. Die Reduktion der Operationen spürten wir enorm. Rückblickend gesehen war die erste Welle für uns kaum fassbar. Und zwar deshalb, weil wir nicht eine Patientin bei uns in der Klinik hatten, die positiv auf Corona getestet war, weil wir ‹nur› zu Beginn durch die Konzeptphase damit zu tun hatten und danach im Shutdown einige der Ärztinnen und Ärzte weniger zu tun hatten.

Ganz anders natürlich unser Pflegepersonal, das auf der Pandemiestation, und die Medizinischen Praxisassistentinnen, MPA, die in der Disposition der Intensivpflegestation aushalfen. Für sie war diese erste Welle eine grosse Belastung, weil sie alles hautnah an der Front miterlebten.

Nach dem Shutdown fuhren wir das Operationsprogramm wieder hoch und arbeiteten den ganzen Stapel ab. Dank des grossen Einsatzes aller Mitarbeitenden und insbesondere auch der Kolleginnen und Kollegen der Anästhesie konnten wir in Sonderschichten – und quasi zwischen den beiden Wellen – alle Eingriffe nachholen.

Dann kam im Herbst die zweite Welle, die man kommen sah. Im Gegensatz zur ersten war damals keine Unsicherheit beim Personal mehr vorhanden. Man wusste, wie man sich vor einer möglichen Ansteckung schützen kann, wir hatten Konzepte erarbeitet und kannten den Umgang mit Covid. Aus diesem Grund wurden auch die täglichen Sitzungen kürzer, man musste jeweils die neuen Vorgaben umsetzen und konnte auf dem, was wir im Frühjahr erarbeitet hatten, aufbauen. Anders als im Frühling war die zweite Welle aber viel fassbarer in der Frauenklinik. So hatten wir immer wieder einmal eine Patientin, die Corona-positiv war und zum Gebären kam, oder auch einer oder eine unserer Mitarbeitenden, die in Quarantäne oder Isolation musste.

Bei den Covid-positiven Schwangeren gibt es zwei Aspekte: Zum einen die Frau, die im letzten Drittel der Schwangerschaft schwer erkranken kann. Einen solchen Fall hatten wir glücklicherweise nie. Zum anderen Frauen, die während der Schwangerschaft eine Corona-Infektion durchgemacht hatten. Solche Patientinnen betreuten wir einige in der Frauenklinik. Bei einigen sahen wir während der weiteren Schwangerschaftsbetreuung eine Abflachung des Wachstums des Kindes. Dies war eine Folge der Schädigung der Gefässe der Nachgeburt durch das Virus. Dadurch wurde die Leistung der Nachgeburt beeinträchtigt, und so erhielt das Ungeborene weniger Nährstoffe und das Wachstum verlangsamte sich.

Zuletzt war für mich etwas vom Herausforderndsten in dieser Zeit die Kommunikation. Man musste sich gut überlegen, wie man die Dinge am optimalsten kommuniziert. Als Beispiel sei hier die auch in der Frauenklinik kontrovers geführte Diskussion über die Wichtigkeit des Tragens von Masken erwähnt. Es galt hier niemanden vor den Kopf zu stossen und wenn möglich auch immer alle abzuholen.»

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Wir waren im 2020 mit vielen Unsicherheiten von jungen Eltern konfrontiert.

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Kristina Tschuor Pflegefach HF im Wochenbett (F4)

Kristina Tschuor

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