PD Dr. med. Thomas Riedel Chefarzt und Departementsleiter Kinder- und Jugendmedizin

Kinder- und Jugendmedizin

«Wir hatten die Hoffnung, die Pandemiestation nie zu gebrauchen.»

PD Dr. med. Thomas Riedel, Chefarzt und Departementsleiter Kinder- und Jugendmedizin

«Kaum waren wir in der neuen Klinik angekommen und hatten uns eingerichtet, war es schon wieder vorbei. Corona kam und aus diesem Grund musste die Pandemiestation ihren Betrieb aufnehmen. Für uns bedeutete das: Eine ganze Etage im Haus M, die eigentlich für die stationären Kinder reserviert wäre, musste für die Corona-Erkrankten weichen. Die Station war bereits beim Bau im Haus M eingeplant, natürlich in der Hoffnung, sie nie zu gebrauchen.

Die Inbetriebnahme hatte zur Folge, dass wir innerhalb kurzer Zeit viele Konzepte über den Haufen werfen, umschreiben und ganz oft umziehen mussten. Letztlich hatten wir massiv weniger Platz als beim Einzug im November 2019; 18 Zimmer an der Zahl waren es im März 2020 weniger. Das führte nicht nur bei den stationären Patienten zu Veränderungen, wir waren auch gezwungen, die Tagesklinik an einen anderen Ort unterzubringen und hatten ebenfalls weniger Platz für die ambulanten Patienten. Dieser Umstand hielt das ganze Jahr hindurch an.

Interessant für uns war, dass wir gerade in der zweiten Welle viel weniger Patientinnen und Patienten mit Infektionen zu behandeln hatten. Die erste Welle traf im März relativ spät bei uns ein, darum hatten wir Anfang 2020 noch viele Kinder mit den üblichen Infektionen bei uns auf Station. Doch während der zweiten Welle, gerade in den Monaten November und Dezember 2020, hatten wir kein einziges Kind mit einer RS-Virus-Infektion auf Station.

Einerseits ist es ein Glück, dass wir jetzt mit den engeren Platzverhältnissen nicht aus allen Nähten platzen; andererseits aber auch nicht, weil die Auslastung der Notfallstation und der Bettenstation geringer ist. Und es erschwert zudem die Aus- und Weiterbildung unserer Studenten, Assistenzärztinnen und -ärzte sowie Pflegenden, wenn wir weniger solcher Infektionspatienten haben. Sie sind dadurch gar nicht mehr mit dem Krankheitsbild konfrontiert, die man in anderen Jahren en masse zu versorgen hatte.

Schweizweit sind wir nicht die einzige Kinderklinik, die in den Wintermonaten 20/21 nur wenige bis fast keine Kinder mit dem RS-Virus zu behandeln hat. Das wiederum zeigt, dass der Mundschutz und die Minderung der sozialen Kontakte sowie die Handhygiene helfen, dass es zu weniger Infektionen kommt. Und es wohl vor allem auch die Erwachsenen sind, welche die Viren weitergeben.

Was mir aber weitaus mehr Kummer als die Verkleinerung der Klinik bereitet, ist die immense Flexibilität, die wir vom Personal verlangten und verlangen. Weil wir viel weniger Patientinnen und Patienten zu pflegen hatten, aber von einem «normalen» Winter ausgegangen sind, machten viele Pflegende und Assistenzärztinnen und -ärzte Schichten auf anderen Stationen wie auf der Pandemie-, Abklärungs- und Intensivpflegestation. Sie arbeiteten alle an anderen Orten, als an denen sie angestellt sind, was vom gesamten Team eine riesige Flexibilität erforderte. Dabei muss man sich bewusst sein, dass genau dieser Umstand die Mitarbeitenden viel müder macht und manch einer den Wunsch nach etwas Routine verspürt. Viele wurden praktisch so aus ihrem gewohnten Arbeitsplatz ‹herausgerissen› und dort eingesetzt, wo Not am Mann war.

Das Verständnis war von allen immer sehr gross, aber wenn man morgens kommt und nicht weiss, auf welcher Station man heute eingeteilt ist, bringt das einen gewissen Stress mit sich. Einerseits ist da diese dauernde generelle Unsicherheit, die in der ganzen Bevölkerung herrscht, und andererseits haben die Mitarbeitenden eine weitere Unsicherheit in einem kleinen Rahmen nochmals. Und das geht an die Substanz.

Zugleich war es auch für die Vorgesetzten eine grosse Herausforderung, denn der Koordinationsaufwand war immens, eine Planungssicherheit gab es nicht und alle leisteten neben dem täglichen Arbeiten einen zusätzlichen Aufwand, weil Corona nahm und nimmt immer noch sehr viel Zeit für Eventualplanungen in Anspruch.

Uns ist aber wichtig, unsere Ideen und Pläne, wohin wir künftig mit der Kinderklinik möchten, weiterhin zu verfolgen. Das ist eine dauernde Weiterentwicklung und wir müssen aufpassen, dass diese Dinge durch die Pandemie nicht zu kurz kommen.»

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Neu anzufangen und alle Personen mit Maske kennenzulernen, ist sehr speziell.

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Samuel Kunz Arzt

Samuel Kunz

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